Beim Holz und in Sursee angekommen
Mogos Russom kam 2015 als Flüchtling aus Eritrea in die Schweiz. Hier hat er die Chance gepackt und eine Ausbildung zum Schreinerpraktiker EBA gestartet. Bald steht er vor der Abschlussprüfung und seinem Berufseinstieg als ausgebildeter Berufsmann.
Umgeben von massgefertigten Fenstern und Türen, Beschlägen und Griffen sitzt Mogos Russom im Ausstellungsraum der BS Fenster- und Türenbau AG in Sursee. Mit ihm am Besprechungstisch sitzt auch sein Vorgesetzter und Geschäftsleitungsmitglied Ivan Stofer. Er hat ihm vor zwei Jahren die Chance gegeben, in der Schreinerbranche zu schnuppern und ein dreimonatiges Praktikum zu absolvieren. Und dieses hat Russom sehr gut gefallen. Unlängst hat er die zweijährige Ausbildung zum Schreinerpraktiker begonnen und sich im Betrieb und im Schulalltag eingelebt. Der junge Eritreer ist ein äusserst motivierter Lernender und mit seiner Geschichte anders als die weiteren vier Lernenden der BS Fenster- und Türenbau AG. Für Russom geht es nicht nur um eine Berufsausbildung, sondern auch um seine Zukunft in der Schweiz.
Die Chance packen
Hier ist er im Jahr 2015 nach einer fast zweijährigen Flucht angekommen. Und hier hat er als anerkannter Flüchtling die Aufenthaltsbewilligung erhalten. Dass er nun die Gelegenheit hat, eine Ausbildung zu machen, erfüllt ihn mit Freude und Dankbarkeit. «Die Lehre zum Schreinerpraktiker bedeutet mir sehr viel. Sie gibt mir eine Perspektive für mein Leben in der Schweiz. Und das in einer Branche, die mir sehr gut gefällt.» Bereits in Eritrea habe er gerne mit Holz gearbeitet, erzählt Russom, der vor dem Ausbildungsstart verschiedene Deutsch- und einen Computerkurs absolviert hat. «Nur mein Deutsch ist noch nicht gut genug», fügt er selbstkritisch an. Er bereue es, dass er während seiner ersten Jahre in der Schweiz nicht intensiver Deutsch gelernt habe. Doch damals fehlte es ihm an Energie und Motivation, die Sprache zu lernen, weil er lange nicht sicher war, ob und wie lange er in der Schweiz bleiben kann. Heute weiss er, die Sprache ist der Schlüssel für die Integration. Diese erhöht die Chance auf eine gute Arbeitsstelle und öffnet die Türen zu den Schweizerinnen und Schweizern.
Seine Vorgesetzten sind mit dem 31-jährigen Eritreer sehr zufrieden. «Seine Motivation, Neues zu erlernen und zu arbeiten, war bereits während des Praktikums gut spürbar. Für uns der entscheidende Faktor, dass wir ihm den Ausbildungsplatz angeboten haben», sagt Stofer rückblickend. Ein Manko in Bezug auf die Sprache sieht auch er, aber dies kompensiert Russom problemlos mit seinem Einsatz. Weiter schätzt es Stofer, dass Russom aufgrund seines Alters bereits eine gewisse Reife hat.
Trotz Herausforderungen fühlt sich der angehende Schreinerpraktiker richtig zu Hause in seinem Lehrbetrieb. Im 60-köpfigen Familienunternehmen ist Mogos, wie ihn hier alle nennen, sehr gut integriert. Alle mögen und schätzen ihn. Mit einem Lernenden gehe er auch regelmässig nach der Arbeit ins Fitnesscenter, erzählt er. Eine gemeinsame Aktivität, die er sehr schätze.
Der Weg zum Ziel
Bevor Russom sich für den Schreinerberuf entschieden hat, schnupperte er als Bäcker und Koch und arbeitete in der Strassenreinigung, in der Landwirtschaft und in einem Malerbetrieb. Aber nichts überzeugte ihn so sehr wie der Schreinerberuf. Und da hat er sich während der bald zwei Jahre seiner Ausbildungszeit viele Fähigkeiten und ein grosses Fachwissen erworben: Als angehender Schreinerpraktiker hat er die wichtigsten Techniken zur Verarbeitung von Holz und Holzwerkstoffen kennengelernt, in der Werkstatt Türrahmen und Türen gefertigt, diese geschliffen und für die Lackierung vorbereitet und last but not least auf der Baustelle montiert. Arbeiten, die er gerne und motiviert erlernt hat und ausführt. Auch der Kontakt mit der Kundschaft während einer Montage in einem Umbauobjekt gefällt ihm. Dabei kommt es vor, dass diese das Gespräch mit ihm suchen. «Sie fragen nach, was ich mache und woher ich komme.» Wenn er dann mit Stolz von seiner Ausbildung erzähle, seien diese meist beeindruckt, sagt er lächelnd. Überhaupt mag er die Arbeit auf der Baustelle ganz besonders. «Hier kann ich selbstständig arbeiten und zeigen, was ich kann.»
Schwierigkeiten bereitet ihm manchmal der Unterricht an der Berufsschule. «Die Allgemeinbildung und auch der Deutschunterricht sind schwierig für mich», sagt er offen und ehrlich. Darüber spricht er immer wieder auch mit Anna Haupt, Job Coach beim SAH Zentralschweiz. Russom wird seit Ausbildungsbeginn vom Angebot SAH Job Support in Sursee begleitet. Haupt betreut ihn seit gut einem Jahr und steht auch dem Unternehmen bei Fragen zur Seite. «Wenn eine Person, die hier aufgewachsen ist, eine Lehre anfängt, kann sie auf ein Umfeld und neun Jahre Schulbildung zählen. Geflüchteten fehlt beides», sagt Haupt. Entsprechend gross sei deren Leistung, wenn sie eine Ausbildung erfolgreich abschliessen. Die Lösung für Russoms schulische Probleme kann Haupt mit dem Bezahlen einer Nachhilfelehrperson bieten. Eine wichtige Unterstützung, die ihm hilft, auch in schwierigeren Situationen nicht aufzugeben und weiterzulernen.
Auch Ivan Stofer schätzt die Betreuung durch Anna Haupt und das SAH Zentralschweiz sehr. «Ohne diese hätten wir als Unternehmen nicht den Mut gehabt, einer geflüchteten Person einen Ausbildungsplatz anzubieten. Dafür fehlte uns schlicht die Erfahrung mit Geflüchteten und auch das Wissen um deren tagtägliche Sorgen und Herausforderungen», sagt er rückblickend. Dass es so gut klappt, sei zu einem grossen Teil Russoms offener und ehrlicher Art und seinem grossen Willen zu verdanken. Eine Wertschätzung, die Russom sehr freut und die sich auch im Angebot seines Arbeitgebers widerspiegelt: Ab Sommer 2022 kann er in einer Festanstellung als ausgebildeter Berufsmann im Betrieb weiterarbeiten.
Der nahende Abschluss
Bis es aber so weit ist, muss sich der angehende Schreinerpraktiker noch intensiv auf die Lehrabschlussprüfung vorbereiten. Der praktische Teil bereitet ihm keine Sorgen. Geprüft werden Arbeiten, die er während der zweijährigen Ausbildung immer und immer wieder geübt und ausgeführt hat.
Mehr Aufwand muss Russom für die theoretische Prüfung leisten und entsprechend Zeit investieren. Zeit, die er sich gerne für einen erfolgreichen Abschluss nimmt. Denn seit seinem ersten Arbeitstag weiss er, mit dem Schreinerpraktiker hat er seinen Traumberuf gefunden. Ein Beruf, der zudem am Arbeitsmarkt gefragt ist und dafür will er unbedingt das Ausbildungsdiplom erlangen.
Und das SAH Zentralschweiz? Dieses ist froh und dankbar, mit Firmen wie der BS Fenster- und Türenbau AG Unternehmen an der Seite zu haben, die jungen Geflüchteten die Chance geben, eine Ausbildung zu machen. Dabei werden sie vom Praktikum über den Ausbildungsstart bis hin zum -abschluss von einem Job Coach im Rahmen von SAH Job Support Luzern und Sursee unterstützt.