Vor 20 Jahren wurde der Verein SAH Zentralschweiz gegründet und damit von einer Regionalstelle in eine eigenständige Organisation überführt. Im Interview erzählen die aktuelle Präsidentin Katharina Hubacher und der damalige Geschäftsleiter Felix Föhn – von den Anfängen und der Zukunft sowie von einer besonderen Begegnung.
Felix, du warst bei der Vereinsgründung dabei. Wie kam es dazu, und welche Funktion hattest du damals?
Föhn: Ich arbeitete ab 1999 für das SAH Schweiz, leitete die Regionalstelle Zentralschweiz und war stellvertretender Leiter der Inlandhilfe. Meine Aufgabe war es, das Angebot der Regionalstelle weiterzuentwickeln. Im Rahmen einer schweizweiten Reorganisation wurden im 2004 alle Regionalstellen aufgefordert, eigenständige Vereine zu gründen und diese sowohl selbstständig als auch wirtschaftlich unabhängig zu führen. Also machte ich mich auf die Suche nach einem Vorstand und Partnern für die Trägerorganisation. Letztere fand ich in der Sozialdemokratischen Partei, den Gewerkschaften und den Grünen. Nicht allen Regionen gelang die Vereinsgründung, weshalb leider einige Regionalstellen geschlossen wurden.
Wie sah die Arbeitsintegration damals aus? Welche Massnahmen gab es bereits?
Föhn: Im Jahr 1999 lag der Fokus unserer Angebote auf Menschen mit geringem Bildungsrucksack. Ihnen boten wir die Weiterbildung «Berufliche Perspektiven» sowie das Programm «Stellennetz» an. Damit qualifizierten wir Erwerbslose für den Arbeitsmarkt und vermittelten ihnen Praktika in Unternehmen und Organisationen. Bereits im 2002, also noch vor der Vereinsgründung, erweiterten wir unser Angebot mit dem Migrationszentrum «Co-Opera». Im Auftrag des Kantons Luzern unterstützten wir Geflüchtete und vorläufig Aufgenommene bei ihrer sozialen und beruflichen Integration. Wie veränderte sich deine Arbeit mit der Vereinsgründung? Föhn: Mit Freude übernahm ich die Position als erster Geschäftsleiter. Die Vereinsgründung stärkte zugleich die regionale Verankerung in der Zentralschweiz. Von Anfang an war mir die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Vereins ein grosses Anliegen. Um diese zu erreichen, mussten wir unser Angebot weiter ausbauen. Ein Beispiel war «Bildung im Strafvollzug».
Katharina, du arbeitest seit 2014 im Vorstand, seit 2021 als dessen Präsidentin. Wie blickst du auf deine Anfänge zurück?
Hubacher: Ich wurde als Vertreterin der Grünen in den Vorstand gewählt, war damals im Luzerner Stadtparlament und leitete die Sozialberatung in Sursee. Von Anfang an spürte ich im SAH Zentralschweiz viel Dynamik und Engagement. Es war eine Zeit des Wachstums. So übernahmen wir 2016 die Ateliers für Frauen, die zuvor ein eigenständiger Verein waren, sich aber nicht mehr selbst tragen konnten.
Welche Konzepte oder Ansätze haben sich über die Jahre bewährt?
Hubacher: Unsere Nähe zum Arbeitsmarkt und unser Bildungsangebot. Unser Ziel war es immer, Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren, statt reine Beschäftigungsprogramme anzubieten. Bis auf wenige Plätze in den Ateliers für Frauen sowie im Angebot SAH Garten und Landwirtschaft ermöglichen wir ausschliesslich Einsätze in Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Dabei spielt das bereits erwähnte «Stellennetz» eine zentrale Rolle. Auch unser Bildungsangebot hat sich bewährt – nicht zuletzt, weil wir dieses kontinuierlich an neue Gegebenheiten anpassen. Ein Beispiel dafür ist die «LernLounge», die wir 2023 gemeinsam mit Caritas Zentralschweiz als Pilotprojekt lanciert und im 2024 etabliert haben.
Gab es in den 20 Jahren auch Rückschläge, die den Verein geprägt haben?
Hubacher: Die Coronapandemie und das Jahr danach waren besonders herausfordernd. Während der Pandemie konnten wir viele Angebote nicht durchführen, und danach blieb die Erwerbslosigkeit wider Erwarten tief. Wir mussten unsere Programme reduzieren und leider auch Mitarbeitende entlassen. Die Krise zeigte auf, dass das Risiko kurzfristiger Angebotsabsagen künftig auch von den zuweisenden Stellen mitgetragen werden soll.
Wie hat sich die Arbeitsintegration im Vergleich zu früher verändert?
Föhn: Die Angebote wurden spezialisierter und individueller. Waren es früher mehrheitlich allgemeine Integrationskurse, wird das Angebot heute gezielt auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden zugeschnitten. Dadurch steigt die Qualifikation und damit die Chance auf eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt.
Was müsste sich ändern, um die Integration weiter zu fördern?
Hubacher: Erfolgreiche Arbeitsintegration benötigt eine enge Zusammenarbeit zwischen den zuweisenden Stellen und uns, den Programmdienstleistenden. Mein Wunsch ist es, diese Zusammenarbeit weiter auszubauen und zu stärken.
Katharina, welche Zukunftspläne hat das SAH Zentralschweiz?
Hubacher: Bildung und Arbeit bleiben unsere zentralen Themen. Aktuell diskutieren wir, wie wir unser Angebot diversifizieren und weiterentwickeln können. Die Weiterentwicklung ist essenziell für die Stabilität des SAH Zentralschweiz – als Anbieter von Dienstleistungen der Arbeitsintegration und als Arbeitgeber. Für unsere Mitarbeitenden wollen wir ganz besonders Sorge tragen und ihnen langfristig einen sicheren und attraktiven Arbeitsplatz bieten.
Und zum Schluss: Gibt es ein Erlebnis, an das ihr euch besonders gerne erinnert?
Föhn: Ich durfte viele Highlights mit dem SAH erleben. Ein ganz besonderer Moment war der Besuch von Bundesrätin Simonetta Sommaruga bei unserem Migrationsprojekt «Co-Opera». Sie begleitete uns während eines ganzen Tages, zeigte grosses Interesse an unserer Arbeit und beeindruckte mit ihrer Offenheit.
Herzlichen Dank, Katharina und Felix, für dieses Gespräch und euren wertvollen Einsatz für das SAH Zentralschweiz.
Das Interview stammt aus unserer SAH News Jubiläumsausgabe, die Sie hier einsehen können.