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Interview mit Petra Köchli in der Bauern Zeitung

Landwirtschaft im urbanen Raum

Nach dem Studium entschied sich Petra Köcheli für eine Landwirtschaftslehre. Heute arbeitet sie für ein Gemüseanbau-Projekt im urbanen Emmen.

An der einen Seite des Grundstücks steht ein Unternehmen für Metallveredlung, an drei Seiten Wohnblöcke, dazwischen Landwirtschaft. «Das erwarten hier die wenigsten», sagt Petra Köchli. Denn die 3000 m2 grosse Weberwiese liegt im Emmener Ortsteil Emmenbrücke LU, einer Agglomerationsgemeinde mit einer typischen Mischung aus Wohnblocks und Einkaufszentren entlang verkehrsreicher Durchgangsstrassen.

An diesem kühlen, regnerischen Frühlingsnachmittag arbeiten vier Personen in leuchtendgelben Regenjacken auf dem Gelände. In Folientunnels säen sie erste Gemüse an und pflanzen Setzlinge ein. «Später in der Saison wird hier mehr los sein, dann sind wir bis zu zehn Leute», erklärt Petra Köchli.

Vormachen statt erklären

Hinter dem Landwirtschaftsprojekt mitten in Emmenbrücke steht das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH). Das SAH-Angebot «Garten und Landwirtschaft» unterstützt Personen, die wirtschaftliche Sozialhilfe beziehen und oft noch nie in der Schweiz gearbeitet haben, bei der Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt und ermöglicht einen strukturierten Alltag.

Gemeinsam mit ihrem Kollegen Ladislaus Löliger leitet Petra Köchli die Menschen bei den landwirtschaftlichen Arbeiten an. «Das meiste müssen wir vorzeigen», erklärt die 36-Jährige bei einer Tasse Tee unter dem schützenden Vordach des Containers, der als Garderobe, Kaffeestube und Geräteschuppen dient. «Denn oft gibt es Sprachbarrieren.» Doch die Landwirtschaft biete einen guten Einstieg ins Berufsleben. «Hier können sich die Menschen beweisen.»

Sie ist mit einem 50-Prozent-Pensum beim SAH angestellt und kam auf Umwegen zur Landwirtschaft. Denn aufgewachsen ist sie in einer nicht-bäuerlichen Familie in einem Mehrfamilienhaus im Kanton Aargau. Als Jugendliche hatte sie ein Pflege-Pony auf einem Bauernhof und bewegte sich «schon immer» gerne draussen. Doch beruflich entschied sie sich für ein Soziologie-Studium. «Nach dem Abschluss wollte ich noch was Handfesteres machen und kam schnell auf die Landwirtschaft.»

Zweites Standbein

Sie absolvierte eine 2-jährige Lehre als Bio-Landwirtin und arbeitete fünf Jahre im Murimoos, einer sozialen Einrichtung mit Landwirtschaftsbetrieb. Anschliessend machte sie in Wädenswil einen Master in Umweltingenieurswesen und arbeitete auf einem Gemüsebaubetrieb im Kanton Luzern. «Wenn ich den Betrieb hätte übernehmen können, wäre ich heute nicht hier», sagt sie mit einem Lächeln.

Neben ihrem Job in Emmenbrücke ist Petra Köchli bei der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften angestellt als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Grün und Gesundheit. Die Gruppe untersucht, wie Kontakt mit der Natur und die Beschäftigung mit Pflanzen und Tieren zu mehr Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität beitragen können. Zudem ist sie im Vorstand des Dachverbandes Green Care Schweiz. Mit Green Care werden soziale Dienstleistungen bezeichnet, die oft auch auf Bauernhöfen angeboten werden.

Nicht unter Beobachtung

Das SAH-Projekt in Emmenbrücke läuft erst das zweite Jahr, nach langwierigen Verhandlungen mit der Stadt, der das Land gehört. Denn die Verwaltung befürchtete im Vorfeld Vandalismus. «Doch wir haben bisher keine Probleme. Wenn es ordentlich aussieht, haben die Leute auch Respekt.» Auf dem Wiesenstück neben den Feldern stehen Sitzbänke und zwei Frauen aus dem Quartier bieten, inspiriert vom SAH-Projekt, Kindergartenkurse an. «Wir sind gut integriert und fühlen uns von den Wohnblöcken rundum auch nicht beobachtet.»

Vertrieben wird das Gemüse wöchentlich von Mai bis November via Abo, derzeit stehen rund 50 Personen aus Luzern und Emmen auf der Liste. Sie holen ihr Gemüse vor Ort ab oder an einer Depotstelle in Luzern. «Wir ernten jeweils frisch am Morgen», sagt Petra Köchli. Ergänzt wird das Angebot mit Feldprodukten, die auf dem Hof Rippertschwand in Neuenkirch wachsen.

Freude an handfester Arbeit

Viele der Abonnentinnen und Abonnenten würden sich Gedanken über die sozialen Aspekte der Landwirtschaft machen. «Die Abos bieten ihnen eine Möglichkeit, nach ihren sozialen und ökologischen Grundsätzen zu handeln und etwas Gutes in ihrer Umgebung zu bewirken.»

Sie selbst betrachtet die Kombination von Landwirtschaft und sozialem Engagement als ideal. «Die Landwirtschaft kann mehr, als Lebensmittel zu produzieren», sagt sie, während sie wieder in die gelbe Regenjacke schlüpft. «Ich möchte weder das eine noch das andere missen. Aber vor allem arbeite ich gerne auf dem Feld.»

Fünf Fragen an Petra Köchli

Was können Sie besonders gut?

Ich koche gern und hoffentlich auch gut vegetarisch. Das Gemüse kommt dabei immer aus «eigenem» Anbau. Ich kann in Gesprächen gut die Perspektive des Gegenübers einnehmen.

Welchen Traum möchten Sie noch verwirklichen?

Ich plane eine Winterreise in die Wärme, wo ich besser Wellensurfen lernen will.

Was ist Ihr Rezept für Entspannung?

Bewegung! Im Winter auf Skitouren, im Sommer mit dem Kanu oder beim Wandern – am liebsten mit Freund und Freunden.

Was ist Ihnen in einer Liebesbeziehung wichtig?

Lebensfreude teilen. Sich gegenseitig mit einer guten Balance zwischen ähnlichen Interessen und Unterschiedlichkeiten inspirieren und erfreuen.

Eine Ihrer liebsten Kindheitserinnerungen?

Als meine Freundinnen und ich in einem Hüttli ausserhalb des Dorfes «Überlebenswochen» veranstalteten.

 

(Artikel in der BauernZeitung vom 21. Mai 2023)

 

Hier gelangen Sie zu weiteren Informationen über unser Angebot auf der Weberwiese.